In den letzten Jahrzehnten war Führung einem starken Wandel ausgesetzt. Das steht in direkter Beziehung zu den Veränderungen in der Wirtschaft. Führung wird sich in den nächsten Jahren noch schneller verändern. Drei Gründe sind dafür entscheidend: die Digitalisierung, die notwendige schnellere Reaktion auf Kunden und Märkte, sowie andere Einstellungen und ethnische Hintergründe (Diversität) von Mitarbeitern. Ausserdem haben sich die Anforderungen der MitarbeiterInnen bzw. BewerberInnen an Unternehmen geändert. Kann eine situative Führung hier eine Lösung sein? Erfahren Sie hier wichtige Voraussetzungen für Ihre Führungsaufgabe.
Zur Zeit der Industrialisierung war der Faktor Arbeit nicht mehr als ein Produktionsmittel. Es gab viele Arbeiter, die sehr einfache Tätigkeiten ausgeübt haben. Sie mussten keine eigene Entscheidungen treffen und hatten kaum Verantwortung. Die Unternehmen wurden von Unternehmern geleitet, die einen patriarchischen oder autoritären Führungsstil hatten. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass der Chef die Entscheidungen völlig autark trifft und durchsetzt. Manchmal kam hinzu, dass die Firma als große Familie angesehen wurde.
Definition Führung
Führung finden wir überall im Alltag. Ich möchte meine Frau davon überzeugen, dass wir am Wochenende ins Kino gehen, während sie lieber ins Theater geht. Wir überlegen mit Freunden, wohin wir am Samstagabend Essen gehen: zum Italiener oder zum Asiaten? Wer kann den Anderen überzeugen?
In der folgenden Definition geht es um das Führungsverhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter. Wir verstehen unter Führung folgendes: Die situationsbezogene Beeinflussung von Mitarbeitern, unter dem Einsatz von Führungsinstrumenten, ausgerichtet auf die erfolgreiche Umsetzung eines Ziels. Gleichwohl ist die Persönlichkeit des Vorgesetzten ein entscheidender Faktor. Das funktioniert nur, wenn die Person authentisch ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie an Vertrauen und Respekt verliert.
Führungsstile
Nach Tannenberg und Schmidt existieren mehrere Führungsstile (s. Downloadbereich), die nach der Willensbildung unterschieden werden, d.h. liegt die Willensbildung beim Vorgesetzten oder beim Mitarbeiter. Somit ergibt sich eine Bandbreite von einem autoritären bis zu einem Laissez Faire Führungsstil. Letzteres bedeutet, dass der Vorgesetzte überhaupt nicht in das Geschehen eingreift. Man kann sich hier streiten, ob gar keine Willensbildung des Chefs, ein Führungsstil ist.
Situative Führung
Stellen Sie sich bitte vor, Sie wären Leiter der GSG9 und würden mit ihrem Team zu einem Einsatz gerufen werden. Die Situation: drei Männer haben sich in einer Wohnung im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses verschanzt und hätten fünf Geisel genommen. Jetzt zählt jede Minute. Würden Sie sich mit ihrem Team zurückziehen und diskutieren, was die beste Strategie ist? Vermutlich nicht. Sie würden eher kurze und präzise Anweisungen geben. Auf eine Diskussion werden Sie sich vermutlich auch nicht einlassen. Das ist eher eine autoritäre Führung.
Wenn Sie jedoch eine neue Vorgehensweise zur Befreiung von Geiseln besprechen möchten, werden Sie Vorschläge ihres Teams zulassen und im Anschluss eine Entscheidung treffen. Also den kooperativen Führungsstil wählen.
Das nennt man situative Führung: der Situation angepasst. Und dazu gehören die Rahmenbedingungen und der Entwicklungsgrad ihrer Mitarbeiter.
Das situative Führungsmodell von Paul Hersey und Ken Blanchard bezieht, neben den Führungsstilen, auch den Reifegrad des Mitarbeiters mit ein. Denn dieser entscheidet letztendlich über die Führungsinstrumente. Der Reifegrad leitet sich aus der Fähigkeit und aus der Motivation ab. Dahinter stehen die Fragen, kann und will der Mitarbeiter die Aufgabe erledigen. In dem Modell gibt es vier Quadranten und die dazugehörig, passenden Führungsstile. Das bedeutet, dass ich bei einem Mitarbeiter mit einer geringen Motivation und einer geringen Fertigkeit, eine klare Anweisung ausspreche.
Übertragen auf ihren Führungsalltag bedeutet das, dass ihr Führungsstil bei einem neuen, unerfahrenen Mitarbeiter ein anderer ist, als bei einem erfahren, motivierten Mitarbeiter. So verhalten Sie sich beispielsweise in einem Kritikgespräch anders, als bei einem Entwicklungsgespräch. Gefordert ist demnach eine Verhaltensflexibilität in der Führung. Das ist absolut sinnvoll, da Mitarbeiter unterschiedlich sind und auch Situationen sich voneinander unterscheiden.
Der Spagat
Führung bedeutet, mit extremen Situationen umgehen zu können: ein Mitarbeiter kommt zu Ihnen, weil sein Partner ihn verlassen hat. Er befindet sich vermutlich in einer Krise und seine Leistung ist unter den Erwartungen. Hier ist eher Mitgefühl, Anteilnahme und Verständnis gefragt. Ihre geforderte Rolle ist eher der Kumpel oder Freund. Belästigt der selbe Mitarbeiter eine(n) Kollegin/-en, ist die Rolle des autoritären Chefs gefragt. Sie bewegen sich auf einem großen Feld, was bespielt werden will. Situative Führung bedeutet, alle Tasten eines Klaviers bespielen zu können. Andernfalls sind Sie sehr eingeschränkt in der Wirkung Ihrer Führung.
Was situative Führung beeinflusst
Wie ich einen Mitarbeiter führe, hängt demnach von der Situation ab. Folgende Faktoren beeinflussen die Situation und somit meinen Führungsstil:
- die Fähigkeit des Mitarbeiters
- die Motivation des Mitarbeiter
- die Dringlichkeit bzw. Wichtigkeit einer Situation
- das Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter
Dies setzt voraus, dass die Führungskraft über die notwendigen Führungsinstrumente und -kompetenzen verfügt.